Einmal um die Welt und wieder zurück nach England - Gullivers Reisen illustriert von Richard Janthur

 

Einmal um die Welt und wieder zurück nach England - Gullivers Reisen illustriert von Richard Janthur

Mit seiner expressionistischen Grafik steht Richard Janthur gleichwertig neben Franz Masereel, Conrad Felixmüller, Heinrich Campendonk und Karl Schmidt-Rottluff. Direkt nach dem Ende des ersten Weltkriegs findet Janthur in der Reise von Gulliver in das Land der Houyhnhnms eine Geschichte, in der er seine Kritik an der zügellosen Kriegsführung und der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts thematisieren kann.

Es ist dem Galeristen und Verleger Wolfgang Gurlitt zu verdanken, dass in der Weimarer Zeit einige druckgrafische Meisterwerke in seinem „Verlag Fritz Gurlitt“ veröffentlich wurden. Nach dem ersten Weltkrieg markiert Gurlitt mit den in seinem Verlag erschienenen expressionistischen Bilderbüchern den Bruch mit der bürgerlichen Auffassung von Buchillustration. Die Illustrationen sollten nicht nur dekorativ sein, sondern dem gegenwärtigen Zeitgeist Ausdruck geben und gegenüber dem Text eigenständige Bedeutung erlangen.

Das Buch „Des Capitain Lemuel Gullivers Reisen in das Land derer Houyhnhnms“ von Jonathan Swift illustrierte Richard Janthur (12.4.1883 – 22.3.1956) mit 12 originalen Lithografien sowie 12 Kopfstücken und 12 Initialen wird 1919 im Verlag Fritz Gurlitt veröffentlicht. Der satirische Roman war als Jugendbuch 1726 durch den irischen Schriftstellers, anglikanischen Priesters und Politikers Jonathan Swift veröffentlicht worden. Kapitän Gulliver erlebt auf seinen verschiedenen Weltreisen fantastische andere Gesellschaften.

Im vierten Teil „Reise in das Land der Houyhnhnms“ wird Gulliver nach einer Meuterei auf einem unbekannten Strand ausgesetzt. Er wird dort von einer Gesellschaft von Pferden aufgegriffen. Sie halten sich eine Spezies, die sie „Yahoo“ nennen, als Arbeitstiere. Gulliver wird eine Zeitlang bevorzugt behandelt und erlernt auch die Sprache der Houyhnhnms, wie sich die Pferde selbst nennen. Er erzählt von seiner Heimat, in der es einen langen Krieg zwischen England und Frankreich gab und Millionen von seinesgleichen getötet worden waren. Sein Houyhnhnm-Meister meint daraufhin, dass wohl die Menschen sich nicht unterscheiden von dem Yahoos. Um dies zu erkunden sucht Gulliver den Kontakt zu den Yahoos und stellt fest, dass die Yahoo tatsächlich ihm ähneln. Aber er muß auch zur Kenntnis nehmen, dass sie unter den Tieren die ungelehrigsten und triebgesteuert sind. Eine Yahoo-Frau findet ihn so attraktiv, dass sie sich voller Begierde auf ihn stürzt.

Richard Janthur nimmt genau diese Situation in seiner expressionistischen Vorzeichnung „Orgiastische Szene/Nächtliches Treiben" auf. Eine Szene, die dominiert wird von Neandertaler ähnlichen männlichen und weiblichen Urgestalten, die kopulieren und Pferde wie Kannibalen fressen.

Die Federzeichnung ist eine absolute Rarität, die als Vorzeichnung für die Buchveröffentlichung mit 12 Originallithografien, entstand.

Ebenfalls 1919 veröffentlichte Fritz Gurlitt weitere Lithografien als Buchillustrationen von Janthur, die sich mit außereuropäischen Kulturen beschäftigen. Pantschatantra - Fabeln aus dem indischen Liebesleben, Gilgamesch – Eine Erzählung aus dem alten Orient. Rabindranath Tagore: Vierzehn Gedichte. In den folgenden Jahren erscheinen Rabindranath Tagore: Vierzehn Gedichte, Jayadeva: Gita Gowinda oder Die Liebe des Krischna und der Radha, Die Rosen von Schiras – Persische Liebesgedichte, Kalidasa: Der indische Frühling – Sanskrit-Strophen des Ritusamhara, Rudyard Kipling: Das Dschungelbuch und im Insel-Verlag Daniel Defoe: Das Leben und die ganz ungemeinen Begebenheiten des weltberühmten Engelländers Robinson Crusoe.

Kurzbiografie:

Richard Janthur

Richard Janthur besuchte die Kunstschule in Breslau. 1908 bis 1915 Ausbildung zum Zeichenlehrer in Berlin. Seit 1911 Ausstellungsbeteiligungen an der Berliner Sezesson. Im selben Jahr Studienreise nach Griechenland, finanziert durch Harry Graf Kessler. 1912 mit Ludwig Meidner und Jacob Steinhardt Gründung der Künstlergruppe Die Pathetiker. Ausstellung in der Berliner Galerie Sturm. 1919 Mitglied der Berliner Novembergruppe und des Arbeitsrats für Kunst. Seine Ehefrau Louise Antonie (Isa) Burmeister (1889 Riga - 1949 Berlin) war Malerin und Bildhauerin.

 
 
 
 
 

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